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cotopaxi

 

In der letzten Reihe sitzt ein Zehnjähriger, freundlich und ruhig. Der Geographielehrer zeichnet eine Uhr auf die Tafel: Kleiner Zeiger auf acht, großer auf 12. Der kleine Zehnjährige zuckt mit den Achseln.

Er ist wieder zu spät gekommen, er kommt immer zu spät. Dieses Phänomen kannten wir bisher nur von den aufmüpfigen "Cool-ist-Pflicht"-Postpubertären. Sein Vater wird vorgeladen: "Nix verstehen."

Die Deutschlehrerin will sich darum kümmern.
Sie wird in der Volksschule nachfragen, wie dieser Junge ein "Gut" im Unterrichtsfach Deutsch - und damit die Berechtigung, aufs Gymnasium zu gehen - bekommen hat. Sogar seine türkischen KlassenkameradInnen lachen über ihn. Sie schreiben auf ihr Selbstporträt : "Ich froh - ich Leila haben."

Der Tschetschene zeichnet nicht mal. Er kann gar nicht zeichnen, weil er seine Schultasche nur zum Überleben packt: Essen, Trinken. Kein Buch - vom Staat geschenkt, kein Heft - vom Geographielehrer gesponsert, kein Schreibzeug. Wieder nur freundliches Achselzucken.

Wann wird er unfreundlich werden?

Wir würden gerne mit ihm reden, wir würden gerne erklären, was im Gymnasium von ihm erwartet wird. Es fehlt die gemeinsame Kommunikationsbasis, die Sprache.

Demnächst wird es erste Noten hageln. Negative Noten. Geht gar nicht anders, als "ordentlichen Schüler" (ohne Sonderstatus) müssen wir ihn wie seine Mitschüler behandeln.

Ich glaube, wir nennen das "Integration" und "Chancengleichheit". Aber das kann er nicht verstehen, der kleine Tschetschene.

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