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cotopaxi

 

Wir erwischen ihn im letzten Moment, den Bus 601, der uns in die Stadt bringt. Es könnte zu regnen beginnen und dunkel wird es auch bald.

Alle Plätze besetzt, wir verdrücken uns ins letzte Eck und atmen einmal durch. Vor uns sitzen drei ältere Damen, offensichtlich frisch pensionierte Touristinnen, die unsicher die Welt entdecken. Neben uns das genaue Gegenteil: vier junge Burschen, die vor Selbstsicherheit strotzen:
"Hello, sit down", grinsen sie den Rentnerinnen entgegen, die längst sitzen, aber nett zurücklächeln. Alles rosarot.

Den Jungs wird schnell fad, sie suchen Abwechslung, beginnen zu rempeln und stoßen. Einer klettert über die Sitzbank zum Busende, ein anderer drängt sich durch den Bus und wieder zurück.
Die Mienen der drei Mitfahrerinnen versteinern allmählich. Grauer Alltag.

Die Lage spitzt sich zu, als drei Mädchen im richtigen Alter einsteigen und das Interesse der pubertierenden Jungmänner anziehen:
"Ihr gehört doch längst ins Bett!"
"Selber, du Baby!"
"Willst frech werden?"
Das älteste und stärkste der Mädchen geht auf die dummen Sprüche ein und gibt Kontra: "Halt den Schlapfen, Goscherter."
Sprachliches Ping-pong aus den unteren Schubladen. Kennen wir.

Die Touristinnen verstehen zwar kein Wort, wohl aber den aggressiven Ton, sie blicken hilfesuchend umher.
Einer der lustigen Burschen belässt es nicht bei dummen Sprüchen und zieht das kleinste der Girlies am Rucksack zu sich. Und wieder. Und noch einmal.

Die älteren Damen verlieren ihre Geduld und die Frau neben mir, meine Frau, wird auch nervös. Ich spüre die Blicke auf mir ruhen, die Forderungen liegen in der Luft: "Du bist der Mann, der Lehrer, greif endlich ein!"

Ich lehne mich entspannt zurück, erkläre später meiner Gattin, dass solche Spiele und Sprüche zwischen den Geschlechtern zur Norm geworden sind, oder immer schon waren: "Die Mädchen hätten problemlos weggehen können. Wollten sie aber nicht. Ich mische mich da nicht ein."

Gestern lese ich in der Zeitung genau das Gegenteil: "Das Anrempeln von Mädchen ist nicht bloß Kontaktaufnahme, sondern ein Übergriff." (Kurt Scholz, Die Presse, S. 37, 1.April 2008)

Balzen oder Gewalt?

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